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Gegen den Untergang
Schöpfungsprinzip und globale Beschleunigungskrise


München Wien 1994 (Hanser); 215 Seiten; ISBN 3-446-17834-1
Druckfehler-Berichtigungen

Jahrtausendwende. Die Leitideen der Neuzeit sind nicht länger lebensfähig. Der Erfolg von Milliarden Jahren irdischer Entwicklung droht mit dem Menschen zu scheitern. Warum?

Wir begreifen, warum die Wirklichkeit zu immer komplexeren Gestalten im Raum der Möglichkeiten aufstieg. Einsicht ins Schöpfungsprinzip und Wiedervereinigung von Geist und Materie bringen die Aufklärung voran: Aus der »Systemtheorie von Gott und Teufel« folgt eine logische Grenze der Innovationsgeschwindigkeit!



Das Wesen der globalen Beschleunigungskrise: Schnelles und Großes haben in der evolutionären Selbstorganisation einen Selektionsvorteil – bis zum Höhepunkt: Im Wettlauf zwischen Problemlösung und Problemerzeugung geht letztere in Führung.

Krise heißt Entscheidung, nicht Untergang. Welch hoffnungsvolle Wendung: Aus der Wissenschaft folgt etwas für die Ethik, fürs Tun und Lassen in Technik, Politik und Wirtschaft. Die nun bevorstehende Selbstorganisation der menschlichen Freiheit erfordert die Beschränkung fast alles Großen und Schnellen!

Die Revision unserer Leitideen wird die Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus erzwingen – den Abschied von der Idee unbegrenzten Eigentums. Menschen dürfen künftig nicht mehr um ihre Lebensgrundlagen konkurrieren. Vielmehr müssen sie diese für alle verfassungsmäßig sichern und sich dann ihren »eigentlichen« Möglichkeiten zuwenden.




Inhaltsverzeichnis





I.


Einleitung: Kinderfragen








II.


Untergangssymptome – oder Panikmache?
Zum Stand der globalen Wertschöpfung








III.


Das Prinzip der Schöpfung – eine Sache der Weltanschauung?
Zur Wiedervereinigung von Geist und Materie






  1. Keine Wunder mehr? – Physik und Metaphysik
  2. Die Dämmerung des Ursprungs – Einfachheit und Einheit des Vorgegebenen
  3. Wirklichkeit und Möglichkeit – Was gibt es eigentlich?
  4. Die Welt als Gedankenexperiment – Phasenraum und deterministisches Chaos
  5. Zappeln im Raum der Möglichkeiten – Die Tautologien von Zufall und Wahrscheinlichkeit








IV.


Sechs Tage Aufstieg
Anmerkungen für Skeptiker








V.


Systemtheorie von Gott und Teufel
Das Wesen der globalen Beschleunigungskrise








VI.


Entscheidung
Zur Selbstorganisation der Freiheit








VII.


Energie – Treibstoff der Krise
Politische Reduktionsstrategien für zerstörerische Technik








VIII.


Die Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus
Die Idee des Eigentums an Lebensgrundlagen








IX.


Standort Deutschland
Geld und Freiheit: Wer steht? Wer liegt?








X.


Aufstandsort Deutschland
Wo fängt es an?








Leseprobe





Einleitung: Kinderfragen






Zwei oder gar drei Nullen in der Jahreszahl pflegen allerlei Propheten anzustacheln. Wie es vor tausend Jahren im christlichen Abendland zuging (als die Null dort noch unbekannt war), erzählt man sich noch heute: Es wimmelte nur so von Untergangspredigern. Viele Leute glaubten ihnen, schlossen sich Büßerkolonnen an und geißelten sich oder verpraßten ihr Eigentum, das ja bald nichts mehr nützen würde. Sogar Massenselbstmorde soll es gegeben haben. Inzwischen hat freilich die wissenschaftliche Aufklärung stattgefunden, und einen von Gott verhängten Weltuntergang muß niemand mehr fürchten. Der Mensch ist erwachsen geworden und hat auch diese Aufgabe in eigener Verantwortung übernommen.

Die Denker der Aufklärung mußten wohl erwarten, daß Angst und Ratlosigkeit damit überwunden seien. Woher also das Gefühl des Ausgeliefertseins, das immer mehr Menschen befällt und sie gar wieder in religiösem oder nationalistischem Fundamentalismus Zuflucht suchen läßt? Ist das nur die gerne zitierte Dummheit und Unbildung der sogenannten Massen? Zwar wäre nach einigen Jahrhunderten wissenschaftlicher Aufklärung und Belehrung auch dies ein erklärungsbedürftiges Phänomen – aber, siehe da, es sind gar nicht so sehr die Dummen, die Schwierigkeiten mit dem modernen Weltbild haben. Vielmehr fallen schon aufgeweckten Kindern allerlei Fragen zu den modernen Mythen und Schlagworten ein, mit denen sich die Mehrheit noch füttern und stillen läßt. Gott sei Dank – wir werden später sehen, was damit gemeint sein kann – wühlen auch in Erwachsenen solche Kinderfragen weiter. Das Unbewußte läßt sich selbst bei Verstopfung aller rationalen Aufnahmekanäle nicht völlig von der Realität abschneiden. Und ebendiese Wühlarbeit hatte ja in Fragen und Antworten Tausender von Generationen die alten Bilder geschaffen, die dem Menschen seinen Platz und seine Möglichkeiten im Rahmen des Weltganzen zeigten – bis dann alle diese Götterbilder im Lichte der wissenschaftlichen Aufklärung verblassen mußten und ihr ganzer Himmel als Menschenwerk durchsichtig wurde.

Was wurde dahinter sichtbar? Der Abgrund des astronomischen Weltalls und die nebelhafte Ahnung von einem physikalischen Nichts an dessen Anfang, aus dem im Laufe der viele Milliarden Jahre währenden evolutionären Selbstorganisation doch nichts als Materie in Raum und Zeit hervorgehen konnte. Sogar sich selbst mußte der Mensch als eine Gestalt dieser materiellen Wirklichkeit zu begreifen beginnen. Auch die Aktivitätsmuster seines Großhirns, in denen sich das Ichbewußtsein und alle anderen seelisch-geistigen Fähigkeiten verwirklichten, sind als Strukturen in Raum und Zeit erkennbar – zwar unermeßlich viel reicher, aber nicht von grundsätzlich anderer Natur als alle andere materielle Realität. Nichts ist also im Laufe dieser Aufklärung an die Stelle der alten mythischen Bilder zur Weltdeutung getreten, die dem Menschen eine Ethik für sein Leben und Zuversicht für seinen Tod gegeben hatten.

Nun waren aber diese Vorstellungen im Laufe der evolutionären Selbstorganisation von Geist und Kultur nicht als unnütze Triebe am Baum des Lebens gewachsen, die sich einfach folgenlos abschneiden ließen. Vielmehr entstanden sie ja gemeinsam und in raffiniertem Wechselspiel mit entsprechenden seelischen Bedürfnissen, die großenteils „instinktive“, also genetisch fixierte Wurzeln haben. Im Rahmen des modernen Weltbildes ist natürlich auch die Entwicklung des Menschen, einschließlich der gesamten Kultur- und Geistesgeschichte, nichts anderes als die Fortsetzung dieses koevolutionären Selbstorganisationsprozesses – nur eben auf dem nun erreichten noch höheren Komplexitätsniveau. Schließlich ist auch die wissenschaftliche Aufklärung selbst Teil dieses Prozesses. Wenn sie uns in die Krise geführt hat, kann dies nur bedeuten, daß hier die Selbstorganisation in überlebenswichtigen Punkten noch nicht gelungen ist. Können wir diese Fehlstellen benennen? Viele haben wenigstens eine vage Ahnung davon, wo sie zu suchen sind: Weder paßt unser Weltbild mit unseren fundamentalen seelisch-geistigen Bedürfnissen zusammen, noch haben wir die durch das Prinzip der Schöpfung gesetzten Grenzen unserer eigenen Kreativität richtig erkannt. Kein Wunder, daß wir auf gefährliche Abwege geraten sind, daß nun der Weltuntergang zu einem wissenschaftlich faßbaren Phänomen zu werden beginnt, und daß das Schweigen der Mehrheit jederzeit in Angstgeschrei umzukippen droht, wenn Zeichen am Himmel erscheinen.

Angst gilt als irrational, weil sie ihren Gegenstand nicht klar benennen kann. Sie ist aber von der menschlichen Evolution her gesehen höchst vernünftig: Sie ermöglicht den richtigen Umgang mit dem Unvorhersehbaren. Wo wir mit unserem durch Erfahrung gewonnenen Wissen und Denken die Zukunft nicht abschätzen können, rät uns die Angst, so zu handeln, daß die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von Unvorhersehbarem sich verringert. Millionen Jahre lang mußten nämlich unsere Ahnen erfahren, daß Unvorhergesehenes wahrscheinlich mehr Risiken als Chancen mit sich bringt. Wo Vorsicht nicht genügt, weil Voraussicht unmöglich ist, tritt deshalb Angst an ihre Stelle. Zunächst bewirkt sie ein Verharren, also das Vermeiden möglichst jeder Neuerung. Erst wenn etwa trotz dieser „Innovationsfurcht“ etwas ungewohntes, bedrohliches Neues hereingebrochen ist, folgt die Panikreaktion, die als uraltes Erbe aus dem Tierreich ebenfalls ihren guten Sinn hat: Angesichts einer unmittelbaren Bedrohung, der mit gewohnten Flucht- oder Angriffstrategien nicht beizukommen ist, könnten unkontrollierte, wilde Flucht oder wahlloses Umsichschlagen immerhin noch Überlebenschancen bieten. Wie gut, daß wir über all das hinaus sind – nicht wahr? Wir brauchen bekanntlich nur die immer schnellere Innovation, um den unerwarteten Bedrohungen zu entgehen! Oder ist das etwa schon Panik?

Ich will in diesem Buch zunächst daran erinnern, welche Zeichen am Himmel und auf der Erde uns angst machen müssen. Über diese Untergangssymptome gibt es schon viele Bücher, jedoch verstärken die meisten nur den ohnehin rasch wachsenden Fatalismus. Wo etwa doch Optimismus anklingt, ist er meist hohl wie politische Festtagsreden. Die wirklichen Zusammenhänge werden höchstens sehr verschwommen wahrgenommen, schon weil kaum jemand es wagt, sich jenseits seiner administrativ anerkannten „Qualifikation“ für zuständig zu halten. Woran es fehlt, ist ein überzeugendes Weltbild, in dem den Anführern wie den Mitläufern des Fortschritts die eigene Begriffsverwirrung und das Ausbleiben eines längst fälligen Aufklärungsschrittes als tiefere Ursache des menschlichen Versagens deutlich werden, ohne daß daraus Resignation oder Verzweiflung erwüchsen. Ich möchte deshalb versuchen klarzumachen, daß alle diese „Zeichen am Himmel“ Symptome einer schon im Schöpfungsprinzip angelegten, rational einsehbaren Krise sind, in der weder das Verharren noch wilde Flucht, noch hektisches Umsichschlagen uns irgendwelche Überlebenschancen bieten. Völlig neue Ansätze zur Selbstorganisation der menschlichen Freiheit werden notwendig sein. Vielleicht kann ich klarer machen, wo sie zu suchen und zu finden sein werden.

Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Das im Prinzip seit jeher übliche und bisher stets hinreichend erfolgversprechende menschliche Verhalten hat die Menschheit und die ganze irdische Lebenswelt unvermeidlich in diese Krise führen müssen, die ich kurz „die globale Beschleunigungskrise“ zu nennen pflege. Sie ist von den Naturgesetzen, ja schon von den Gesetzen der Logik her, als singuläre Epoche der Geschichte unseres Planeten zu erkennen, und wir können trotz der ungeheuren Komplexität des Gesamtsystems von „Mensch und Natur“ aus den logisch einfachsten Systemeigenschaften erschließen, daß der Höhepunkt dieser Krise, also ihre Entscheidung, in unsere und unserer Kinder Lebenszeit fällt.

Wenn es den Menschengenerationen, die die bevorstehende Jahrtausendwende erleben, nicht gelingt, jenen noch ausstehenden Fortschritt der Aufklärung zu leisten und weltweit im Bewußtsein zu verankern, so wird der menschliche Geist nicht nur seine bisherigen Werke vernichten, sondern sogar einen wesentlichen Teil seiner biologischen Wurzeln. Und doch bietet die einfache logische Struktur dieses Geschehens die Chance der Einsicht und der Wende: Das Wesen der Krise liegt darin, daß das Große und das Schnelle im Evolutionsprozeß einen Selektionsvorteil haben und daß deshalb die Innovationsgeschwindigkeit und die globale Vereinheitlichung so lange zunehmen, bis das Neue nicht mehr in genügend vielen unabhängigen Versuchen und nicht mehr hinreichend lange ausprobiert werden kann. Deshalb passen die verschiedenen Teile der Wirklichkeit immer weniger zusammen. Wie ich es schlagwortartig zusammenzufassen pflege: Die logischen Voraussetzungen erfolgreicher evolutionärer Wertschöpfung sind verletzt, seit „Vielfalt und Gemächlichkeit“ durch „Einfalt und Raserei“ ersetzt wurden. Abbau und schließlich Zusammenbruch der komplexen Ordnung von Biosphäre und Gesellschaft setzen ein.

Wer diesen Zusammenhang verstanden hat, der wird auch einsehen: Der fehlende Schritt in der Selbstorganisation menschlicher Freiheit kann nur darin bestehen, daß wir, sozusagen verfassungsmäßig, alles Schnelle und Große beschränken.

Um Sie als Leser von derart verwegenen Einsichten und den notwendigen Folgerungen überzeugen zu können, muß ich hier manches wieder anklingen lassen, was ich schon zwei Jahrzehnte lang als eine Art Wanderprediger zu verbreiten suche und was auch in meinem vorigen Buch wiederzufinden ist („Das Grundgesetz vom Aufstieg“, München 1989). Seither sind allein auf deutsch Hunderttausende Bücher erschienen, und so ist kaum zu erwarten, daß meine Gedanken vielen bekannt sind. Ich will aber diesen Keim neuen Denkens nicht unter so vielen anderen Kräutern und Unkräutern verkümmern lassen. Ich lege hier einen Text vor, der im wesentlichen aus frei gesprochenen Vorträgen erwachsen ist. Die Zwiesprache mit dem Hörer habe ich in der schriftlichen Fassung weitgehend beibehalten. Diesem Vortragscharakter entspricht es, daß ich hier vieles, was ich schon früher schrieb und sagte, unter etwas veränderten Gesichtspunkten darstelle. Mir ist bewußt, wie unangemessen diese kleine Form ist. Der Denkansatz ist ja so umfassend, daß ihm ein gewisser „Größenwahn“ kaum abzusprechen ist. Doch wenn es mir gelingen soll, etwas zum überlebensnotwendigen Fortschritt des menschlichen Denkens beizutragen, werde ich wohl ohne einiges Sendungsbewußtsein nicht auskommen. Vielleicht kann man mir deshalb auch den stellenweise etwas „traktätchenhaften“ und unsystematischen Charakter des Buches verzeihen.

Die eigentlich lächerliche Aufmerksamkeit, die jene drei Nullen in der Jahreszahl erregen werden, sollten wir also für Wesentlicheres benutzen: Es geht in der Tat um eine Revision fundamentaler menschlicher Leitideen der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende, die sich zwar lange bewährt hatten, die aber dennoch, ja schließlich ebendeshalb, in die Krise führen mußten. Sich an die Aufregung über die Kalenderwende anzuhängen, die so unendlich viel leeres Geschwätz unserer Anführer und ihrer Medien auslösen wird, mag da als fauler Trick erscheinen. Doch in der Erregung steigt die Wahrnehmungsfähigkeit, und so wird es vielleicht gelingen, ein wenig von der allgemeinen Aufmerksamkeit für die Nullen auf das Wesen der globalen Beschleunigungskrise zu lenken. Wenn wir dann erkannt haben, wie die drohende Naturkatastrophe in der Natur des menschlichen Geistes organisiert wird und welche Rolle dabei dem einzelnen Ich zukommt, wird uns plötzlich der Sinn der Worte Hoffnung und Verantwortung wieder einleuchten: Wir können und dürfen mithelfen, in der menschlichen Gesellschaft jene Voraussetzungen zu schaffen, unter denen in unserer Krise die Entscheidung gegen den Untergang fällt.

(…)








Rezension





von Werner Onken in der Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 104 / März 1995



Der Artikel befindet sich auf den Seiten 32/33 der Zeitschrift bzw. 34/35 des PDF-Dokuments








Druckfehlerberichtigungen





Seite 9, Zeile 3 von unten:

...etwas ungewohntes, bedrohliches Neues hereingebrochen ist...







Seite 49, Zeile 2 von oben:

... 999 nicht einmal auch nur im Ansatz werden verstehen können...







Seite 91, Zeile 8/9 von unten:

...beim Tasten gefunden werden! Wegen dieser Mitwirkung könnten wir...







Seite 180, Zeile 4 von unten:

...monatlich [statt wöchentlich] im Rathaus abgestempelt...



Seite 180, letzte Zeile:

...negativer Zins von 12 Prozent [statt von über 50 Prozent]







Seite 194, Zeile 9 von oben:

...Dies wird bei uns hoffentlich eher zu schaffen sein als anderswo...